News Archiv - Interessengemeinschaft Hämophiler e.V.

(Meldungen Mai 2008 bis April 2024)

Zuzahlungen - Neuregelungen für gesetzlich Krankenversicherte (Stand: 01.01.2004)

Kh. Schäfer, Günter Schelle

Seit dem 1. Januar 2004 gelten neue Zuzahlungen für zahlreiche Leistungen. Hier finden Sie die wichtigsten Neuregelungen für gesetzlich Krankenversicherte ab 18 Jahren. Kinder und Jugendliche, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind generell von Zuzahlungen befreit (Ausnahme: Fahrkosten). Für eine eventuelle Befreiung von Zuzahlungen können alle gesetzlichen Zuzahlungen angerechnet werden, z.B. die Praxisgebühr beim Arzt, die Zuzahlungen zu Arzneimitteln oder anlässlich eines Krankenhausaufenthaltes.Nicht anrechenbar sind beispielsweise

  • Differenzkosten für Arzneimittel, wenn die Kosten des Arzneimittels den geltenden Festbetrag überschreiten;
  • Kosten für z.B. Arznei- oder Hilfsmittel, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen;
  • Leistungen, die ohne ärztliche Verordnung bezogen wurden;
  • Zuzahlungen zu Zahnersatz und zur künstlichen Befruchtung.

    Eine Besonderheit gilt für kieferorthopädische Behandlung: Der zu leistende Eigenanteil von 20 Prozent der Kosten, bei zeitgleicher Behandlung für jedes weitere Kind 10 Prozent der Kosten, gilt nicht als gesetzliche Zuzahlung. Bei planmäßigem Abschluss der Behandlung erstattet die Krankenkasse den Eigenanteil.

    Nachfolgend listen wir eine Übersicht der gesetzlichen Zuzahlungen auf:

    Arzneimittel, Verbandmittel, Hilfsmittel:

    Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, Verbandmittel und bei Hilfsmitteln (z.B. Einlagen) müssen Patienten künftig zehn Prozent der Kosten selbst tragen. Die Zuzahlung beträgt mindestens fünf, höchstens jedoch zehn Euro.

    Beispiel: Bei einem Medikament für 80 Euro zahlt ein Patient acht Euro zu. Bei einer Salbe für sieben Euro werden dagegen nicht 70 Cent, sondern fünf Euro fällig. Ein sehr teures Medikament für 150 Euro kostet den Patienten dagegen statt 15 nur zehn Euro.

    Bei Hilfsmitteln, die zum Verbrauch bestimmt sind (z.B. Windeln bei Inkontinenz), ist die Zuzahlung auf zehn Euro je Indikation im Monat beschränkt.

    Praxisgebühr:

    Beim Besuch eines Arztes, Zahnarztes oder eines Psychotherapeuten wird jeweils eine Praxisgebühr fällig. Versicherte ab 18 Jahren zahlen zehn Euro für die erste Inanspruchnahme eines Arztes, eines Zahnarztes oder eines Psychotherapeuten in einem Quartal.

    Alle weiteren Behandlungen beim selben Arzt sind im gleichen Quartal zuzahlungsfrei. Wer zu einem anderen Arzt geht, muss aber in dessen Praxis wieder zehn Euro für die Behandlung zahlen, sofern diese nicht auf Überweisung aus demselben Quartal erfolgt.

    Bei Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, bei der Durchführung von Schutzimpfungen, bei zwei jährlichen Zahnvorsorgeuntersuchungen oder der Vorsorge für schwangere Frauen entfällt die Praxisgebühr.

    Wann genau wird eine Praxisgebühr beim Arzt fällig?

    Die Praxisgebühr in Höhe von zehn Euro müssen alle Patienten ab18 Jahren bezahlen, wenn sie das erste Mal in einem Quartal zu einem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten gehen. Alle weiteren Behandlungen bei diesem Arzt sind im gleichen Vierteljahr kostenfrei. Beim ersten Besuch im nächsten Quartal wird die Gebühr dann allerdings erneut fällig.

    Gehen Sie ohne Überweisung zu einem anderen Arzt, müssen sie auch in dessen Praxis zehn Euro für die erste Behandlung bezahlen.

    Der Arzt ist verpflichtet, Ihnen eine Quittung für die Praxisgebühr auszustellen. Sie sollten die Belege sorgsam sammeln. Die Summe aller Zuzahlungen, die Sie innerhalb eines Jahres für medizinische Leistungen und Arzneimittel leisten, darf eine bestimmte Belastungsgrenze nicht übersteigen. Wenn Sie diese Grenze erreicht haben, stellt Ihnen Ihre Krankenkasse eine Zuzahlungsbefreiung aus.

    Die Praxisgebühr wird direkt in der Arztpraxis bezahlt. Verweigert ein Patient die Gebühr, kann der Arzt die Behandlung ablehnen; es sei denn es handelt sich um einen Notfall. Zahlt ein bereits behandelter Patient die Praxisgebühr nicht, werden zusätzlich Mahngebühren von vier Euro fällig. Die Praxisgebühr zählt zum ärztlichen Einkommen. Sie ist praktisch ein Abschlag, den der Arzt vorab erhält, und wird mit den Honoraren verrechnet, die er von der Krankenkasse bekommt.

    Wer muss keine Praxisgebühr bezahlen?

    Kinder und Jugendliche sind von der Praxisgebühr generell befreit.

    Der Besuch bei einem Arzt bleibt zuzahlungsfrei, wenn Sie von einem anderen Arzt überwiesen wurden. Die Überweisung muss für das laufende Quartal gelten. Diese Regelung gilt bis zu einer endgültigen rechtlichen Klarstellung zunächst auch für die Überweisung vom Arzt zum Psychotherapeuten und umgekehrt. Weil ein nichtärztlicher Psychotherapeut keine Überweisungen ausstellen darf, genügt in diesem Fall die Vorlage der Quittung für die bei ihm bezahlte Praxisgebühr.

    Die Praxisgebühr entfällt zudem, wenn Sie eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch nehmen oder eine Schutzimpfung bekommen. Auch die Prophylaxeuntersuchungen beim Zahnarzt, zwei mal im Jahr, bleiben gebührenfrei.

    Zu den Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen zählen:

  • Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft
  • Krebsfrüherkennungsuntersuchungen für Frauen
  • Krebsfrüherkennung bei Männern
  • Gesundheits-Check ab dem 35. Lebensjahr (alle zwei Jahre für gesetzlich Krankenversicherte)
  • Schutzimpfungen: insbesondere gegen Kinderlähmung, Diphtherie, Tetanus, Mumps, Masern, Röteln, Keuchhusten, Influenza, Hirnhauterreger (aber: keine Reiseprophylaxe)

    Neue Belastungsgrenzen für Zuzahlungen:

    Die Belastungsgrenze orientiert sich am Haushaltseinkommen. Das bedeutet: Die Zuzahlungen des Versicherten und seiner Angehörigen werden zusammengezählt. Ebenso die Einnahmen zum Lebensunterhalt der Familie. Für Angehörige, die im gemeinsamen Haushalt des Versicherten leben, werden Freibeträge berücksichtigt. Wer seine persönliche Belastungsgrenze erreicht hat, erhält von der Krankenkasse eine entsprechende Bescheinigung und muss für den Rest des Jahres keine Zuzahlungen mehr leisten.

    Wenn mindestens ein Angehöriger des Familienhaushaltes wegen derselben schwerwiegenden Krankheit (z.B. Hämophilie, mittlere und schwere Verlaufsform) in Dauerbehandlung ist und deshalb chronisch krank ist, reduziert sich die Belastungsgrenze für alle Angehörigen des Familienhaushalts auf ein Prozent der jährlichen (Familien-) Bruttoeinnahmen im Kalenderjahr.

    Die bisherige vollständige Befreiung von Zuzahlungen gibt es ab 2004 nicht mehr. Einzige Ausnahme ist der Zahnersatz: Hier gilt noch das ganze nächste Jahr über die alte Härtefallregelung.

    Wenn Sie wissen wollen, bis zu welcher Höhe Sie Zuzahlungen leisten müssen, lassen Sie sich bei Ihrer Krankenkasse beraten. Die Mitarbeiter helfen Ihnen schnell und unbürokratisch.

    Beispiele für persönliche Belastungsgrenzen:

    jährliche Bruttoeinnahmen:    Belastungsgrenze 2 %    Belastungsgrenze 1 %    
    40.000 Euro800 Euro400 Euro
    30.000 Euro600 Euro300 Euro
    25.000 Euro500 Euro250 Euro
    20.000 Euro400 Euro200 Euro
    15.000 Euro300 Euro150 Euro
    10.000 Euro200 Euro100 Euro

    Beispiel unter Berücksichtigung von Freibeträgen:

    • Versicherter, verheiratet, zwei Kinder, Bruttoeinnahmen der Familie: 35.790 Euro im Jahr.

    • Freibetrag für seine Kinder: 7.296 Euro (z. Zt. = 3.648 Euro pro Kind), für seine nicht erwerbstätige Ehefrau: 4.347 Euro. Um diese Beträge reduziert sich sein anrechenbares Einkommen bei der Feststellung der Belastungsgrenze.

    • Für den verbleibenden Rest von 24.147 Euro gilt die Belastungsgrenze von 2 Prozent. Das bedeutet: Der Versicherte zahlt für sich und seine Familie maximal 482,94 Euro an Zuzahlungen im Jahr 2004.

    • Für das Jahr 2005 wird die Belastungsgrenze von 2 Prozent auf die gleiche Weise (mit den aktuellen Freibeträgen für 2005) berechnet.

    Neue Belastungsgrenzen für Zuzahlungen

    Die neuen Zuzahlungsregeln sollen niemanden über Gebühr belasten. Deshalb müssen Erwachsene nicht mehr als zwei Prozent ihrer jährlichen Bruttoeinnahmen aus eigener Tasche hinzuzahlen.

    Für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, liegt die Belastungsgrenze bei einem Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen.

    Wann gilt ein Patient als chronisch krank und muss deshalb weniger Zuzahlungen leisten?

    Chronisch kranke Menschen müssen um die Hälfte weniger Zuzahlungen leisten als andere Patienten. Für chronisch Kranke gilt eine persönliche Belastungsgrenze von einem Prozent des jährlichen Haushaltseinkommens.

    Ein Patient gilt als chronisch krank, wenn er wenigstens ein Jahr lang mindestens einmal pro Quartal wegen der gleichen Krankheit ärztlich behandelt wurde und eines dieser Merkmale zutrifft: • Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 nach den Bestimmungen der gesetzlichen Pflegeversicherung (2. Kapitel SGB XI) • 60 Prozent Schwerbehinderung (GdB) nach § 30 BVGoder mindestens 60 Prozent Erwerbsminderung (MdE) nach § 56 Abs. 2 SGB VII • Nach ärztlicher Einschätzung ist eine kontinuierliche medizinische Behandlung nötig, ohne die eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine kürzere Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität zu erwarten ist. • Mit medizinischer Versorgung sind ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege oder die Versorgung mit Heil-und Hilfsmitteln gemeint.
    Wenn mindestens ein Angehöriger des Familienhaushaltes schwerwiegend chronisch krank ist, reduziert sich die Belastungsrenze für alle Angehörigen des Familienhaushalts auf ein Prozent der jährlichen (Familien-) Bruttoeinnahmen im Kalenderjahr.

    Stationäre Behandlung/ Anschlussrehabilitation:

    Wer im Krankenhaus behandelt wird, muss pro Tag zehn Euro zuzahlen. Die Zuzahlung ist allerdings auf 28 Tage im Kalenderjahr begrenzt. Das heißt: Niemand muss mehr als maximal 280 Euro zuzahlen. Diese Regelung gilt auch für die Anschlussrehabilitation. In diesem Fall werden die Zuzahlungen jedoch auf die maximal 28 Krankenhaustage angerechnet.

    Rehabilitation – ambulant und stationär:

    Wer in einer Rehaklinik stationär untergebracht wird oder eine ambulante Rehabilitation macht, zahlt ohne zeitliche Begrenzung zehn Euro pro Tag zu.

    Vorsorge – stationär:

    Wer z.B. eine Mutter/Vater-Kind-Kur macht, zahlt ohne zeitliche Begrenzung zehn Euro pro Tag zu.

    Heilmittel und häusliche Krankenpflege:

    Bei Heilmitteln, wie zum Beispiel Krankengymnastik, Ergotherapie, Logopädie oder Massage, müssen Patienten zehn Prozent der Kosten selbst tragen. Hinzu kommen zehn Euro pro Rezept. Das heißt: Wer vom Arzt sechs Therapieeinheiten verordnet bekommt, der zahlt zehn Prozent der gesamten Behandlungskosten plus einmalig zehn Euro. Zu den Behandlungskosten zählen jetzt auch Kosten, die durch Hausbesuche bei Patienten entstehen.

    Verordnungsgebühr und zehn Prozent Zuzahlung gelten auch für die häusliche Krankenpflege – zum Beispiel, wenn ein Patient nach einer Operation zu Hause von einem Pflegedienst versorgt wird, damit er das Krankenhaus schneller verlassen kann. Bei der häuslichen Krankenpflege bleibt die Zuzahlung aber auf die ersten 28 Tage der Inanspruchnahme je Kalenderjahr begrenzt.

    Fahrkosten:

    Fahrten zu einer ambulanten Behandlung übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in Zukunft nur noch in besonderen Ausnahmefällen und nach vorheriger Genehmigung. Auch dann muss der Patient – ebenso wie bei Fahrten zur stationären Behandlung – zehn Prozent der Fahrkosten zuzahlen, mindestens jedoch fünf und höchstens zehn Euro.

    Für wen übernehmen die Krankenkassen weiterhin die Fahrkosten zur ambulanten Behandlung?

    Kosten für Fahrten zur ambulanten Behandlung dürfen die Krankenkassen nur noch in bestimmten Fällen übernehmen. Die Fahrt muss vorher von der Krankenkasse genehmigt werden.

    Zu den Ausnahmefällen zählen:

    • Krebs-Patienten, die zur Strahlentherapie oder zur Chemotherapie fahren müssen, • Dialyse-Patienten, • Patienten, die laut Schwerbehindertenausweis außergewöhnlich gehbehindert sind (aG), die blind sind (Bl) oder die besonders hilfsbedürftig sind (H).

    Ärzte können bei vergleichbar schweren Erkrankungen und Behinderungen eine Fahrkostenübernahme verordnen. Als Voraussetzung für eine ärztliche Verordnung gilt folgende Definition: „Der Patient leidet an einer Grunderkrankung, die eine bestimmte Therapie erfordert, die häufig und über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgt. Die Behandlung oder der zur Behandlung führend Krankheitsverlauf beeinträchtigen den Patienten in einer Weise, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist."

    Auch wenn Fahrkosten übernommen werden, muss der Patient eine Eigenbeteiligung beisteuern. Sie beträgt zehn Prozent der Fahrkosten, mindestens jedoch fünf und höchstens zehn Euro zuzahlen.

    Haushaltshilfen:

    Familien mit Kindern, die eine Haushaltshilfe brauchen – zum Beispiel, weil die Mutter im Krankenhaus liegt - müssen pro Tag zehn Prozent der Kosten selbst übernehmen. Dabei beträgt die tägliche Zuzahlung wie bei Medikamenten mindestens fünf, höchstens aber zehn Euro.

    Entbindung:

    Die medizinische Versorgung von Müttern im Krankenhaus rund um die Geburt bleibt weiterhin zuzahlungsfrei.

    Heben Sie jede Quittung auf!

    Für jede Zuzahlung, die ein Versicherter leistet, bekommt er z. B. von Ärzten und Apothekern eine personifizierte Quittung. Heben Sie diese Quittungen gut auf. Das gilt natürlich auch für die Quittungen Ihres Ehepartners oder Kindes. Wenn die Zuzahlungen Ihre persönliche Belastungsgrenze erreicht haben, sollten Sie sich an Ihre Krankenkasse wenden. Diese prüft dann für Sie, ob Sie für den Rest des Jahres von Zuzahlungen befreit werden können.

    Quellen: Gemeinsamer Bundesausschuss (nach § 91 SGB V), Siegburg
    AOK Bundesverband, Bonn

    Techniker Krankenkasse, Hamburg