Stellungnahme zum Risiko der Übertragung von vCJK durch Plasmaderivate aus humanem Plasma
Rottenburg, den 23. April 2009
Die
UK Health Protection Agency berichtete am 16.02.2009, dass bei der Autopsie
eines über 70-jährigen Hämophilie A-Patienten aus Großbritannien in der Milz
der Erreger der varianten Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) nachgewiesen
wurde. Der Mann war nicht an der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung
verstorben und wies auch keine Symptome dieser Krankheit auf. Er hatte gegen
Ende der 90er Jahre ein Faktor-VIII-Konzentrat (BPL 8Y) erhalten, bei dessen
Herstellung auch das Plasma eines Spenders verwendet wurde, der später an der
vCJK erkrankte. Die Autopsie erfolgte im Rahmen eines medizinischen
Überwachungsprogramms, in das mehr als 3000 Personen eingeschlossen sind, die
potentiell mit vCJK belastete Blut- oder Plasmaprodukte erhalten haben.
Der
Hämophilie-Patient hatte weitere Risiken für eine Prionenübertragung. Er lebte
in Großbritannien, war kein Vegetarier, hatte wiederholt
Erythrozytenkonzentrate erhalten und war operiert worden. Die britischen
Behörden halten die Gabe des Faktor-VIII-Konzentrates BPL 8Y für den
wahrscheinlichsten Übertragungsweg. BPL 8Y ist ein vergleichsweise gering
aufgereinigtes Faktor-VIII-Konzentrat (25 IU/ml, 2 IU/mg Protein). Derartige
aus UK-Plasma hergestellte Präparate wurden ausschließlich in UK angewendet und
zu keinem Zeitpunkt nach Deutschland exportiert. Seit 1998 werden
Gerinnungspräparate in UK nicht mehr aus einheimischem Plasma, sondern aus
importiertem Plasma hergestellt.
Die neue
Variante der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung beim Menschen wurde erstmals 1995 in
England diagnostiziert. Es handelt sich um eine Erkrankung des Gehirns, die
vorwiegend jüngere Menschen betrifft und innerhalb von zwei Jahren nach
Ausbruch zum Tode führt. Sie wird verursacht durch sogenannte Prionen. Der
vorwiegende Übertragungsweg ist die Aufnahme von Prionen über die Nahrung,
durch Lebensmittel, bei deren Herstellung kontaminierte Bestandteile von BSE-infizierten
Rindern in die Nahrungsmittelkette eingingen. Die Prionen gelangen über den
Magen-Darm-Trakt in den Körper, reichern sich im lymphatischen Gewebe, unter
anderem in der Milz, an und können in das Blut gelangen. Sie erreichen
schließlich das Gehirn. Sie können vom Darm auch über das Nervensystem das
Gehirn erreichen. Der Infektionsverlauf bis zu den ersten klinischen Symptomen
dauert zwischen 5 und 20 Jahre.
Aus
tierexperimentellen Untersuchungen ist belegt, dass die Übertragung von Prionen
durch Blut möglich ist. Es sind vier humane Fälle dokumentiert, bei denen durch
Erythrozytenkonzentrate Prionen übertragen wurden.
vCJK ist sehr
selten. Weltweit (Stand Februar 2009) sind bisher 211 Menschen an vCJK
erkrankt, hiervon 167 Personen in Großbritannien. In den letzten Jahren hat die
Erkrankungsrate sehr deutlich abgenommen und betrug zuletzt weniger als 5
Personen pro Jahr weltweit. Aus Deutschland ist bisher kein vCJK-Fall bekannt
und somit auch kein
Fall einer Übertragung von vCJK durch Blutkomponenten oder Plasmaderivate.
Es besteht eine
genetische Prädisposition. Alle bisher manifest an vCJK erkrankten Personen
waren homozygot für die Ausprägung Methionin/Methionin an Codon 129 des
Prionproteingens. Es gibt asymptomatische Träger des vCJK-Agens, die in zwei
Fällen erkannt wurden; beide waren heterozygot (129Methionin/129Valin). Die
Zahl derartiger asymptomatischer Träger ist unbekannt.
Die
Patientenverbände der Hämophilie-Patienten empfehlen grundsätzlich eine
Autopsie der verstorbenen Hämophilie-Patienten, um Informationen zu erhalten
über das etwaige Vorliegen des vCJK-Erregers. Der Arbeitskreis Blut schließt
sich dieser Forderung an.
Die
Wahrscheinlichkeit, dass eine vCJK-Infektion durch in Deutschland auf dem Markt
befindliche Gerinnungsfaktorenkonzentrate übertragen werden kann, ist nach
Ansicht des Arbeitskreises Blut äußerst gering. Diese Einschätzung stützt sich
auf folgenden Sachverhalt (siehe auch Veröffentlichung des
Paul-Ehrlich-Instituts vom 16.03.2009):
1. Blutprodukte,
die aus in Großbritannien gewonnenem Plasma hergestellt wurden durften nicht
nach Deutschland importiert werden.
2. Es darf in
Deutschland seit 2004 kein Plasma von Personen, die sich zwischen 1980 und 1996
(d.h. zur Zeit der BSE-Epidemie) insgesamt mehr als 6 Monate in Großbritannien
und Nordirland aufgehalten haben oder in diesem Zeitraum in Großbritannien
operiert wurden, für die Herstellung von Blutprodukten verwendet werden.
3. Alle
Hersteller von Plasmaderivaten legten dem Paul-Ehrlich-Institut Untersuchungen
über das Ausmaß der Abreicherung von Prionen mit den jeweiligen
Herstellungsverfahren zur Bewertung vor. Ein 2004 veröffentlichter Leitfaden
der europäischen Arzneimittelagentur EMEA für die Überprüfung der Kapazität der
Herstellungsverfahren von Plasmaderivaten zur Abreicherung von Prionen
definiert die Anforderungen (www.emea.eu.int). Diese Abreicherung stellt einen
wirksamen Schritt zur Verbesserung der Sicherheit dar.
Auf Grund der
aktuellen Bewertung sieht der Arbeitskreis Blut keinen Anlass, die Behandlung
mit aus menschlichem Plasma hergestellten Präparaten zu ändern.
Für den
Arbeitskreis Blut
Prof. Dr. R.
Burger, Vorsitzender, Dr. R. Offergeld, Geschäftsführerin