Danach könnten Betroffene anspruchsberechtigt sein, die in
der Zeit von 1976 bis 1984 Faktor VIII-Konzentrate von
amerikanischen Produzenten erhielten. Dies gilt auch für
diejenigen, die in der fraglichen Zeit Produkte verschiedener
Arzneimittelhersteller aus den USA bezogen haben, sofern nicht
gleichzeitig auch ein Produkt eines anderen, beispielsweise eines
deutschen Herstellers zur Anwendung kam. Während es in den
Verfahren, die wegen der HIV-Infektion geführt wurden,
notwendig war, den richtigen Verursacher zu finden, was bei
mehreren möglichen generell nicht zu erreichen war, da dem
Patienten in der Regel der konkrete Nachweis, dass ein bestimmtes
Produkt HIV-kontaminiert war, nach Verbrauch des selben nicht
gelang, wäre dies im vorliegenden Fall nicht notwendig, wenn
alle empfangenen Faktor VIII-Konzentrate von US-amerikanischen
Arzneimittelherstellern stammen, da diese alle die sogenannte
ALT-Richtlinie nicht beachtet haben. Damit liegt bei allen diesen
Produkten ein Verstoß gegen § 5 AMG vor. Der Patient
braucht also nicht nur darzulegen und zu beweisen, durch welches
der mehreren amerikanischen Produkte er tatsächlich mit dem
HC-Virus infiziert wurde.
Konsequenz aus den Feststellungen des Herrn Abgeordneten
Scheu ist aber auch, dass einerseits nur der Empfänger
eines oder mehrerer ausschließlich in den USA hergestellten
Faktor VIII-Konzentrate oder PPSB zum Kreise der
möglichen Anspruchsberechtigten gehören kann und
andererseits der Anspruchsgegner nicht derjenige ist, der das
Produkt in der Bundesrepublik Deutschland vertreibt, sondern der
Produzent selbst.
Da Herr Abgeordneter Scheu 1997 durch eine Anfrage von den
Zusammenhängen erfuhr, geht er von dem Ablauf der
dreijährigen Verjährung am 31.12.1999 aus. Meines
Erachtens dürfte es jedoch nicht auf seine Erkenntnisse
ankommen, sondern auf die Erkenntnis des Betroffenen selbst. Dieser
mag zum ersten Mal durch den Spiegelartikel auf die Handlungsweise
in den USA aufmerksam geworden sein, so dass wohl mit einem Ablauf
der Verjährung erst ab diesem Zeitpunkt in drei Jahren
auszugehen sein dürfte. Doch demjenigen, der den Weg
größtmöglicher Sicherheit gehen will, mag empfohlen
werden, seine Bemühungen nun vor Ablauf dieses Jahres zum
Zwecke einer Verjährungsunterbrechung aufzunehmen. Ist der
jeweilige Produzent in diesem Falle nicht bereit, schriftlich auf
die Einrede der Verjährung bis zu einem späteren
Zeitpunkt zu verzichten, kann die Verjährung allerdings nur
durch rechtzeitige Einreichung der Klage vor dem 31.12.1999
unterbrochen werden.
In Übereinstimmung mit Herrn Scheu gehe ich ebenfalls davon
aus, dass auch die von einem großen Teil der Betroffenen
abgeschlossenen Vergleiche mit den Versicherungen der
Arzneimittelhersteller einer etwaigen Geltendmachung von
Ansprüchen in Folge der Hepatitis C nicht im Wege stehen
dürften. Denn es wäre sicherlich überzogen, in die
Vergleiche eine Ausschlusswirkung auch bezüglich der Hepatitis
C-Infektion hinein zu interpretieren, wenngleich nicht
auszuschließen ist, dass sich die pharmazeutische Industrie
gegebenenfalls im Verlaufe des Verfahrens darauf berufen
könnte. In einem aktuellen Verfahren, das ich zur Zeit vor dem
Landgericht Düsseldorf führe, wurde dieses Problem von
der dortigen Beklagten bisher noch nicht thematisiert.
Gestützt auf das gleiche Verfahren kann an dieser Stelle
auch darauf hingewiesen werden, dass das Landgericht
Düsseldorf auch in der Sache zwischen den Folgen einer
HIV-Infektion und einer HCV-Infektion durchaus zu unterscheiden
weiß und unterscheidet. Nach dem Verlauf dieses Verfahrens
ist zumindest nicht zwingend davon auszugehen, dass die Gerichte
die für eine HIV-Infektion geleisteten und in Anspruch
genommenen Entschädigungen gleichzeitig auch als Abgeltung
für eine HCV-Infektion betrachten. Dies wäre auch meiner
Meinung nach nicht sachgerecht.
Mit Herrn Abgeordneten Scheu gehe ich davon aus, dass die von
ihm zu Tage geförderte Erkenntnis über die Nichtanwendung
der ALT-Richtlinie durch die amerikanischen Produzenten für
die angesprochenen Betroffenen eine Chance für eine
Inanspruchnahme eines solchen Produzenten auf Schadensersatz und
weiteres Schmerzensgeld in sich birgt. Da eine solche
Geltendmachung jedoch gleichzeitig eine Fülle von
Rechtsproblemen aufwirft, die vorliegend nur angerissen und nicht
abschließend dargelegt werden konnten, muss sich jeder, der
zum Kreise der möglichen Anspruchsberechtigten gehören
könnte, vergegenwärtigen, dass durchaus ein beachtliches
Prozessrisiko bleibt. Doch eine Chance ist jedenfalls gegeben."
|