Hepatitis C und Interferon Behandlung
Rottenburg, den 04. April 2011
Hepatitis C und Interferon BehandlungIn den 70er bis Anfang der 80er Jahre war die häufigste
„Nebenerkrankung" der Grunderkrankung Hämophilie die
Hepatitis C.
Betroffen wurden etwa 95% aller Hämophilen mit einer schweren
und mittelschweren Verlaufsform.
Wenn auch die Übertragung der Hepatitis C noch immer nicht
einwandfrei geklärt ist und fast 40 % der in einer
amerikanischen Studie befragten Betroffenen versichern, nie eine
Blutübertragung bekommen zu haben, bzw. niemals mit
gebrauchten Infusionsbestecken von Drogenabhängigen in
Berührung gekommen zu sein, dürfte der
Übertragungsweg bei den Hämophilen eindeutig geklärt
sein.
Die lebensnotwendigen Faktorenkonzentrate, die sich die
Hämophilen spritzen müssen, wurden im fraglichen Zeitraum
ausschließlich aus Plasma gewonnen. Um die
Faktorenkonzentrate in ausreichender Menge produzieren zu
können, wurde das Plasma von vielen Spendern gesammelt und
gepoolt (Plasmapools).
Viren waren selbst durch sorgfältige Spenderauswahl kaum zu
eliminieren, erst Anfang der 80er Jahre wurde die Methode der
Hitzeinaktivierung durch die Fa. Behring entwickelt. Hierdurch
konnten Hepatitis C-Viren und wie sich im nachhinein herausstellte,
auch die HI-Viren abgetötet werden. Auch wurden die Labortests
soweit verbessert, daß das ursprüngliche Risiko einer
Virusübertragung weitgehend reduziert werden konnte.
Das Robert Koch-Institut schätzt, daß in Deutschland im
Juli 1997 320 000 Menschen mit dem Hepatitis C-Virus (HCV)
infiziert sind und jährlich in der Bundesrepublik etwa 5000
Neuinfektionen hinzukommen. Laut Prof. Kurth, Direktor des RKI,
handelt es sich aufgrund der relativen Häufigkeit, vor allem
aber wegen des langen und chronischen Verlaufs um ein sehr ernst zu
nehmendes medizinisches und gesundheitspolitisches Problem.
Bei der Hepatitis C handelt es sich um eine
Leberentzündung, die durch das Virus vom Typ C hervorgerufen
wird. Man unterscheidet zwischen der akuten und der chronischen
Hepatitis C.
Die akute Hepatitis C heilt bei ca. 20% der Patienten nach etwa
sechs Monaten aus, die Leberfunktion normalisiert sich wieder. Sie
verläuft oftmals ohne klinische Symptome, vereinzelt werden
Gelbsucht, erhöhte Leberwerte, Übelkeit und
Müdigkeit beobachtet.
Die chronische Hepatitis C verläuft schleichend und
zunächst meist unbemerkt vom Patienten. Es werden entweder
keine oder meist nur milde Symptome festgestellt, wie leichte
Übelkeit, Appetitlosigkeit, mangelnde Leistungsfähigkeit,
Oberbauchbeschwerden. Wegen der oft unklaren Symptomatik wird eine
chronische Hepatitis C erst nach einer Labordiagnostik
festgestellt.
Die Leber ist das wichtigste Stoffwechselorgan des menschlichen
Körpers. Sie ist verantwortlich für die Verdauung,
für den Stoffwechsel, für den Hormonkreislauf und
für den Blutkreislauf.
Für die Verdauung produziert die Leber
Gallenflüssigkeit, um die Nahrungsfette abzubauen. Für
den Blutkreislauf entgiftet sie hindurchfließendes Blut von
schädlichen Fremdstoffen. Aus dem entgifteten Blut baut die
Leber aufgenommenes Eiweiß um, lagert Zucker ein und liefert
über das Blut energiereiche Nährstoffe an die
Körperzellen. Der beim Eiweißstoffwechsel abgebaute
Harnstoff wird über das Blut zu den Nieren transportiert und
von dort über die Niere mit dem Harn ausgeschieden. Für
den Hormonkreislauf werden in der Leber die Ausgangsstoffe für
die Sexualhormone und die körpereigenen Fette gebildet.
Für den Blutkreislauf baut die Leber alte, verbrauchte
Blutkörperchen ab.
Die Schädigung der Leber durch Viren erfolgt, wenn diese in
die Leberzellen eingedrungen sind, sich hier vermehren und die
gesunden Leberzellen zerstören. Die lebenswichtigen Funktionen
der Leber werden immer weiter eingeschränkt, es bildet sich
eine Leberzirrhose und im Endstadium möglicherweise ein
Leberkarzinom. Die Leberzirrhose und das Leberkarzinom bildet sich
bei etwa 15 - 20% der Patienten in der Regel nach mindestens 15 -
20 Jahren der Erkrankung. Beobachtet wurde, daß die
fortgeschrittene Lebererkrankung vermehrt bei Patienten auftrat,
die älter waren und zugleich stark erhöhte Leberwerte
aufwiesen.
Die bisher einzige Behandlungsmöglichkeit der chronischen
Hepatitis C ist Interferon. Interferone werden vom Körper als
Abwehrstoffe auf körperfremde Eindringlinge gebildet, um diese
unschädlich zu machen bzw. die Körperzellen vor dem
Eindringen von Viren zu schützen. Es wird vermutet, daß
Patienten mit einer chronischen Hepatitis zu wenig
körpereigenes Interferon gebildet wurde.
1991 gelang es, auf biotechnologischer Basis Interferon
herzustellen, das sogenannte Interferon Alfa. Mit Interferon Alfa
konnte das Virus direkt medikamentös bekämpft werden.
Interferon Alfa wird in regelmäßigen Abständen
mehrere Monate lang subkutan (unter die Haut) injiziert und
steigert deutlich die Abwehrkräfte. Gleichzeitig können
auch die Vermehrung der Hepatitis C-Viren und der
Entzündungsprozeß der Leber gehemmt werden. Allerdings
darf nicht verschwiegen werden, daß die Interferon-Therapie
eine sehr belastende Behandlung darstellt. Zumindest in der
Anfangsphase werden bei vielen Patienten heftige Nebenwirkungen
beobachtet, die sich als grippeähnliche Symptome, wie Fieber,
Kältegefühl, Schüttelfrost, Kopf-, Glieder- und
Augenschmerzen sowie Abgeschlagenheit und
Konzentrationsstörungen äußern.
Auf dem 28. Hämophiliesymposium im November 1997 in Hamburg
wurde von Experten festgestellt, daß eine Interferon-Therapie
nur in einem relativ frühen Stadium der Erkrankung zu einem
dauerhaften Erfolg führt. Es wurde wiederholt beobachtet,
daß der Erfolgsquotient bei jungen Patienten unter 40 Jahren
mit kurzer Krankheitsdauer und niedrigen Leberwerten sehr viel
höher ist als bei älteren Patienten mit einer chronisch
geschädigten Leber und hohen Leberwerten. Untersuchungen haben
auch gezeigt, daß eine Behandlung nach spätestens drei
Monaten abgebrochen werden soll, wenn nach diesem Zeitraum keine
spürbare Besserungstendenz in den Leberwerten feststellbar
ist.
Um einen genauen Grad der Schädigung der Leber feststellen zu
können und auch um die spätere Behandlung mit Interferon
abstimmen zu können, ist in jedem Falle eine Leberbiopsie oder
auch eine Leberlaparaskopie angezeigt. Während in
früheren Jahren häufiger die Laparoskopie
(Bauchspiegelung mit Entnahme von Gewebe unter Sicht)
durchgeführt wurde, beschränken sich die
Leberspezialisten heute hauptsächlich auf die Biopsie
(Blindpunktion). Hierbei wird dem Patienten am rechten Rippenbogen
eine dünne Kanüle eingeführt und eine Gewebeprobe
entnommen. Die günstigste Punktionsstelle wird vorher durch
eine Ultraschalluntersuchung festgelegt. Die Biopsie kann heute in
den meisten Fällen ambulant durchgeführt werden und ist
für den Patienten bis auf den Einstich der lokalen
Betäubungsspritze schmerzfrei. Nach dem Eingriff muß der
Patient ca. 6 Stunden Bettruhe einhalten und die Punktionsstelle
mit einem Sandsack beschweren, um Nachblutungen zu vermeiden.
Für den hämophilen Patienten ergeben sich aus der
Biopsie einige Einschränkungen, die teilweise als belastend
empfunden werden. So ist in der Regel ein dreitägiger
stationärer Aufenthalt notwendig, außerdem wird eine
erhöhte Substitution mit Gerinnungsfaktoren für einen
Zeitraum von etwa 14 Tagen notwendig.
Zusammenfassung:
- Die Hepatitis C ist aufgrund ihres langen und chronischen
Verlaufs eine sehr ernst zu nehmende Erkrankung.
- Die Infektion erfolgt offensichtlich durch
Blutübertragungen oder in früheren Jahren durch Gabe von
Faktorenkonzentraten.
- Die anfänglich akute Hepatitis C heilt in nur 10 - 20%
nach etwa sechs Monaten völlig aus und geht bei fast 80% der
Patienten in die chronische Verlaufsform über.
- Etwa 15 - 20% der chronisch Kranken entwickeln nach etwa 15 -
20 Jahren eine Leberzirrhose oder sogar ein Karzinom
(Leberkrebs).
- Bei Spätformen der Leberzirrhose werden häufig
Krampfadern und Blutungen beobachtet. Schwere körperliche
Anstrengungen sollten in dieser Phase unterbleiben.
- Bei den meisten Erkrankten werden keine erheblichen
Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit oder
gesundheitliche Störungen beobachtet, der Erkrankte kann in
aller Regel beruflich und sportlich voll aktiv sein. Er sollte sich
so verhalten, wie er sich fühlt und sich Ruhe gönnen,
wenn der Körper dies verlangt.
- Eine gesunde Lebensweise trägt erheblich zu einem
beschwerdearmen Krankheitsverlauf bei. Vitaminreiche Kost ist von
Vorteil.
- Jeder Patient sollte im eigenen Interesse unbedingt auf den
Alkoholgenuß verzichten oder zumindest nach
Alkoholgenuß eine längere abstinente Phase zur Erholung
der Leber einlegen.
- Es stehen weder ein HCV-Immunglobulin noch ein aktiver
Impfstoff als Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung.
Die einzige zur Zeit verfügbare Behandlungsmethode ist die
Interferontherapie, die allerdings nur in einem frühen
Krankheitsstadium zur völligen Ausheilung führen kann
(ca. 25% der Patienten, die früh behandelt werden).
- Sollten sich innerhalb von drei Monaten nach Behandlungsbeginn
keine wesentlichen Verbesserungen der Leberwerte gezeigt haben,
wird die Behandlung in der Regel abgebrochen.